Alte Briefe und ein Füller
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Über den Ursprung und die Geschichte der Schrift

« Von alten Hieroglyphen bis zur modernen Schreibkultur »

Vom Einkaufszettel über die Textnachricht bis hin zum Geschäftsbrief ist Schrift heute allgegenwärtig. Denn was wir nicht vergessen wollen, was uns bewegt und was wir anderen mitteilen möchten, halten wir schriftlich fest immer häufiger im virtuellen Raum. Doch wie hat alles einmal angefangen? Wir tauchen ein in die Geschichte der Schrift und begeben uns zum Ursprung der Schriftzeichen.

Die frühe Geschichte der Schrift: Bildzeichen statt Buchstaben

Die Geschichte der Schrift reicht weit zurück. Vor der Schrift war die Malerei. Die ältesten Höhlenmalereien Europas findet man heute in der spanischen El-Castillo-Höhle. Sie sind etwa 40.000 Jahre alt und haben bis vor Kurzem als die ältesten menschlichen Darstellungen gegolten. Doch die im Jahr 2021 entdeckte lebensgroße Abbildung eines Sulawesi-Pustelschweins in einer Höhle auf Indonesien ist noch einmal etwa 5.000 Jahre älter. Vor etwa 8.000 bis 9.000 Jahren entstehen aus schemenhaften Bildern an mehreren Orten der Welt unabhängig voneinander die ersten stilisierten Vorläufer der Schrift. Von einer Schreibkultur oder Literatursprache sind wir aber noch weit entfernt. Denn die ersten Schriftzeichen sind Bildzeichen. Sie erinnern an Piktogramme.

Höhlenmalerei mit Jäger und Hirsch
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Die Entwicklung der ersten Schreibgeräte in der Antike

Im alten Mesopotamien erleichtern eingeritzte Tonkügelchen die Buchführung und helfen außerdem bei der Verständigung über Sprachgrenzen hinweg. Die Stadt Uruk am Euphrat, im heutigen Irak, war um etwa 3.500 v. Chr. ein florierendes Handelszentrum, wo verschiedene Waren von Getreide bis Vieh den Besitzer wechselten. Als Beleg gab es die Tonkügelchen, die wie Zählmarken verwendet wurden. Ein Beamter ritzte beispielsweise das Symbol für Getreide in drei Tonkügelchen, um den Erhalt von drei Säcken Getreide zu quittieren.

Doch schon bald reichte diese einfache Form der Dokumentation nicht mehr aus. Die sumerische Keilschrift und die ersten ägyptischen Hieroglyphen (griechisch: „heilige Einmeißelungen“) entstehen. Damit taucht auch das wahrscheinlich erste Schreibgerät in Form eines angespitzten Schilfrohres auf. Mit diesem hat man in der Antike in weiche Tontafeln geritzt, die später oft gebrannt wurden. Die so haltbar gemachten Tontafeln gelten als wichtige Anhaltspunkte für die Menschheitsgeschichte und belegen, dass frühe Schriftformen vor allem der Buchhaltung oder als Steuerbescheide dienten. Vergleichbar ist das Ganze heute mit Verwaltungsprogrammen oder Excel-Tabellen. Herrschende ließen den Bauern solche Tontafeln mit den jeweils eingeritzten Symbolen für die Abgaben zukommen. So stand der Dreschflegel und eine bestimmte Zähleinheit für das abzuliefernde Getreide.

Wand mit Hieroglyphen
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Vom Ursprung der Schrift zur Abstraktion: Lautschriften entstehen

Doch sich all die Bildzeichen zu merken, war aufwendig und das Einmeißeln dauerte lange. Ein einfacheres, schnelleres Schriftsystem musste her. Die Hieroglyphenschrift wird über die Jahrhunderte phonetisiert. Damit verwandelt sich die einfache Bildsprache in eine Wissenschaftssprache, die es erlaubt, auch abstrakte Zusammenhänge auszudrücken. Fortan funktioniert sie sowohl mithilfe von Piktogrammen als auch über sogenannte Phonogramme für die Laute – eine Art Buchstabenvorläufer.

Piktogramme können genau das bedeuten, was sie zeigen, oder auch abstrakt verstanden werden. Spezielle Trennzeichen, sogenannte Determinative, machen deutlich, wie die Zeichen zu deuten sind. So steht beispielsweise das Zeichen für Heuschrecke einerseits konkret für das Insekt, kann aber in der übertragenen Bedeutung auch „Vernichtung“ verheißen. Daraus entwickeln sich weitere Schriftvarianten wie die hieratische und die demotische, die noch mehr Abstraktion zulassen. Schriften zu Medizin, Astronomie und Zeitmessung werden verfasst.

Phonetische Schrift
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Von der Silbenschrift zum Alphabet

Die Geschichte der Schrift geht im Mittelmeerraum weiter. Dort bildeten sich in der Antike mehrere Silbenschriften heraus. Davon sind einige bis heute nicht entziffert. So werden über die Jahrtausende die Keilschrift und die Hieroglyphen von moderneren Silben- und Buchstabenschriften abgelöst. Die aramäische, hebräische und das arabische Schriftsystem leiten sich allesamt aus einem der ältesten Alphabetschriften ab: die vor 3.100 Jahren entstandene phönizische Schrift.

Die ersten beiden Buchstaben des phönizischen Abc sind übrigens auch für den Begriff „Alphabet“ verantwortlich: „aleph“ (griechisch: alpha) und „beth“ (griechisch: beta). Das phönizische Alphabet dient den alten Griechen als Vorlage für ihr Schriftsystem, aus dem sich schließlich auch die anderen europäischen Schriften entwickelt haben: die kyrillischen Schriftzeichen, unsere lateinischen Buchstaben und sogar die Runen der Germanen.

Das phönizische Alphabet
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Mit dem Latein am Ende

Als Prestigeschrift geben die lateinischen Buchstaben in Europa im Mittelalter den Ton an. Doch das Schreiben bleibt in der Regel einer kleinen Elite vorbehalten. Mitte des 8. Jahrhunderts lässt Karl der Große das Schriftbild vereinheitlichen, obwohl man ihm nachsagt, er hätte selbst nur über schlechte Schreibkenntnisse verfügt. Damit setzte er sich für eine Bildungsreform ein, die jedoch nur bedingt beim Volk wirkt.

Denn im Mittelalter sind es vor allem Kirchenschriften, die in Latein verfasst und nur vom Klerus und den Herrschenden verstanden werden. Durch handschriftliche Abschriften vervielfältigen die Mönche in den Klöstern die heiligen Schriften. Das ändert sich erst Mitte des 15. Jahrhunderts, als Johannes Gutenberg den mechanischen Buchdruck mit beweglichen Lettern erfindet. Es ist die Geburtsstunde der Typografie – und eine Medienrevolution. Denn plötzlich lassen sich Bücher, allem voran die Bibel, noch schneller reproduzieren.

Buchdruck mit beweglichen Lettern
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Aber erst durch Martin Luther kommt diese Neuerung etwa 70 Jahre später im Zuge der Reformation bei der breiten Bevölkerung an. Indem er die Bibel aus dem Althebräischen und Aramäischen (Altes Testament) sowie dem Altgriechischen (Neues Testament) ins Frühneuhochdeutsche übersetzt, wird der Inhalt für die Menschen verständlich.

Die moderne Geschichte der Schrift: Schrift in Literatur, Werbung und Web

Dadurch und mit dem Buchdruck entwickelt sich auch die Literatursprache sowie eine vielfältige Typografie. Im 18. Jahrhundert erlebt die Aufklärung in Deutschland ihre Blütezeit. Das schlägt wie folgt zu Buche: Bekannte Schriftsteller wie Goethe, Schiller und Wieland möchten ihre Werke in der schlichten Schriftart Antiqua gedruckt sehen. Den Zeitgeist bestimmen jedoch verschnörkelte Schriftarten wie Fraktur und Schwabacher.

Kaweco Füller

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lässt das Bauhaus schlichte Formen hochleben und designt serifenlose Schriftarten. Davon inspirierte Fonts spielen bis heute eine Rolle in Werbung und Corporate Design. Bekannte Unternehmen wie Volkswagen und Ikea nutzten beispielsweise lange die von Paul Renner 1928 entworfene Schriftart Futura für ihre Wortmarken und auch einige im deutschen Bundestag vertretene Parteien haben ihre Logos in Futura gesetzt. Außerdem machen sich Designer zunehmend daran, spezielle Webfonts als Bildschirmschriften zu entwickeln, darunter Tahoma (1995) und Verdana (1996).

Die Handschrift in der Schreibkultur

Im digitalen Zeitalter erlebt der klassische Stylus, damals noch ein Schilfrohr, im 21. Jahrhundert sein Comeback. Jetzt ritzt man damit jedoch keine Keilschrift in Tontafeln mehr, sondern macht mit den Digitalstiften Notizen auf dem Tablet. Viele Menschen bevorzugen das Schreiben mit der Hand – auch auf dem Display. Denn die Handschrift ist dem Tippen in vielerlei Hinsicht überlegen.

Faber Castell Füller

Auch die Wissenschaft ist sich einig, dass beim handschriftlichen Schreiben zahlreiche Hirnareale aktiviert werden. Schließlich müssen dabei Feinmotorik, Gedächtnis und Kreativität auf einzigartige Weise zusammenspielen. Nur so geben Sie einem Schriftstück Ihre ganz persönliche Handschrift. Kein Wunder, dass wir immer noch gerne zu bewährten Schreibgeräten wie Bleistift, Kugelschreiber und Füllhalter greifen, um uns Ausdruck zu verschaffen. Sie sehen also. Die Geschichte der Schrift ist sehr bewegt und facettenreich.