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Graphologie

« Handschrift als Spiegel der Persönlichkeit? »

Gerade die menschliche Handschrift gehört zu den kulturellen Errungenschaften und Herausforderungen gleichermaßen. Sie erlaubte es, Gedanken und Wissen festzuhalten und anderen Menschen mitzuteilen. Weil viele Menschen ihre Erkenntnisse mit der Hand auf Stein, Ton, Papyrus und Papier aufschrieben, blieben sie so bis heute erhalten. In unserer Zeit nutzen viele ihre Handschrift nur noch für Notizen oder eine Grußkarte, sämtliche anderen Texte werden via Tastatur in Computer und Smartphones getippt. Dabei lässt sich aus der Handschrift mit Hilfe der Graphologie einiges über die Persönlichkeit des Schreibers erfahren.

Die Wissenschaft vom Schreiben

Sowohl im alten China als auch in der Antike wurde mittels Schriftdeutung auf den Charakter des Schreibenden geschlossen. Der Graphologe ist sich mit seinen Zunftgenossen einig: Wer unleserlich kritzelt, möchte nicht entziffert werden. Aus jeder mit der Hand geschriebenen Schrift können durch die graphologische Analyse Eigenschaften der gesamten Persönlichkeit ermittelt werden.

Aus der Handschrift koennen Eigenschaften der gesamten Persoenlichkeit ermittelt werden
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Die Buchstaben verraten etwas über das Denken, die Gefühle oder drücken den Willen des Schreibenden aus, schließlich ist jeder handschriftlich verfasste Text auch ein Selbstausdruck des Autors. Drängeln sich die Buchstaben eng aneinander, braucht der Schreiber beispielsweise viel Raum für sich selbst. Sind Worte und Zwischenräume ausgeglichen verteilt, vermutet der Graphologe einen sozial-kompetenten Autoren.

Auf die genaue Betrachtung kommt es an

Für eine graphologische Untersuchung des Schriftbildes nutzt der Graphologe beispielsweise Maßstab und Winkelmesser. Im Gegensatz zur Körpersprache, die den konkreten Augenblick widerspiegelt, hat jedoch jeder einzelne Mensch seine Schrift in vielen Jahren entwickelt. Daher ist sie weniger von aktuellen Stimmungen, sondern mehr von langfristigen Charakterzügen geprägt. Die Schriftdeutung nutzt daher neben dem Schriftbild auch Angaben über das Geschlecht und das Alter der betreffenden Person.

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Tipp: Schreiben Sie einen kurzen Text mit ganz unterschiedlichen Stiften, einmal mit Füllfederhalter, einmal mit Kugelschreiber und einmal mit Bleistift.

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Bei einem Vergleich lässt sich schnell feststellen, dass ein Schriftbild bereits vom Untergrund und verwendeten Stift abhängig ist und damit auf keinen Fall mit einem individuellen Fingerabdruck gleichgesetzt werden kann.

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Die Graphologie untersucht sämtliche Merkmale genau, beispielsweise:

  • Ist die Schrift geneigt?
  • In welche Richtung ist sie geneigt?
  • Sind die Buchstaben groß oder klein, regelmäßig oder unterschiedlich?
  • Ist sie mit Schnörkeln verziert?

Hält der Schreibende die Zeilen akkurat ein, kann er ehrgeizig und zielstrebig sein. Von besonders klaren Buchstaben schließt die Graphologie auf einen unkomplizierten Menschen. Für eine umfassende Analyse reichen jedoch weder Unterschrift noch wenige Worte, es kommt immer auf die Gesamtheit aller Details an, die auf die Persönlichkeit schließen lässt. Trotzdem sollten Sie bedenken, dass Graphologie durchaus umstritten ist.

Der Spiegel der Persönlichkeit

Analysiert ein Graphologe einen mit der Hand geschriebenen Text, schaut er sich nicht dessen Inhalt an. Ihm geht es allein um das Aussehen der Buchstaben. Stehen sie einzeln? Sind sie miteinander verbunden?

Grundsätzlich unterscheidet der Fachmann bei der Analyse vier Charakteristika:

  • Girlande
  • Arkade
  • Faden
  • Winkel

Wer beispielsweise Girlande in seiner Schrift bevorzugt, schreibt das „n“ ähnlich wie das „u“, er wird als kontaktfreudig und aufgeschlossen eingestuft. Anders die Arkade, bei der die Buchstaben „n“ und „m“ bogenförmig geschrieben werden. Diese Menschen gelten als eher zurückhaltende und verschlossene Persönlichkeiten. Wer die Buchstaben „n“, „m“ und „u“ wie ein Faden schreibt, wird von den Fachleuten als flexibler und anpassungsfähiger Charakter bezeichnet. Werden dagegen Konsonanten wie „m“ und „n“ in spitzen Zacken geschrieben, auch Winkel genannt, deuten Graphologen den Schreiber als entschlossen und stark in der Durchsetzung.

Ein handschriftlich verfasster Text kann als Spiegel der Persoenlichkeit gesehen werden
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Schriftweite und Schräglage

Graphologen nennen Schriftarten weit, wenn die Buchstaben in weiten Abständen voneinander entfernt geschrieben werden. Auch die Schräglage der Zeichen ziehen die Fachleute zur Bewertung heran. Sind sie nach links geneigt, wird der Schreibende als zurückhaltend, beherrscht und auf sich selbst bezogen bezeichnet. Ragen die Buchstaben steil nach oben, vermutet die Schriftdeutung einen besonnenen, nüchternen und zurückhaltenden Menschen. Neigt sich die Schrift dagegen nach rechts, gilt der Schreibende als aufgeschlossen, ungezwungen und warmherzig, gleichzeitig aber auch als unbeständig und flatterhaft.

Graphologische Schriftdeutung: Wer macht das?

Eine klassische Ausbildung in Graphologie existiert leider nicht. Anerkannte Graphologen sind in einem Berufsverband, über den eine dreijährige kostenpflichtige Ausbildung möglich ist. Ein Studium der Psychologie oder ein anderes Studium der Geisteswissenschaften bildet dabei eine solide Vorbildung.

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Diese Ausbildung lehrt Wesentliches über die menschliche Psychologie. Berücksichtigung finden auch einzelne Merkmale, zu denen nicht nur Arkade, Girlande, Faden und Winkel zählen. Insgesamt umfasst die Beobachtung 25 unterschiedliche Merkmale und deren Zwischenstufen . Ebenso lernen angehende Graphologen viel Wissen darüber, wie sich Schriften im Laufe eines Lebens entwickeln und verändern. Weil es bei der Analyse auf sämtliche Feinheiten beim Schreiben ankommt, müssen die künftigen Fachleute ein Auge für Details entwickeln.

Graphologen bei Einstellungen nicht mehr gefragt

War vor zwanzig Jahren ein handgeschriebener Lebenslauf bei einer Bewerbung üblich, die der Graphologe analysierte, ist das längst nicht mehr der Fall. Es sind nur noch verschwindend wenige Unternehmen, die einen Lebenslauf in Schreibschrift schätzen. Das könnte auch daran liegen, dass die Kultur sich zunehmend digitalisiert und einige Länder bereits über die Abschaffung der Schreibschrift diskutieren. Dazu kommt, dass ein graphologisches Gutachten nie ganz eindeutig und rational sein kann, sondern auf die Widersprüche und Vielschichtigkeit der jeweiligen Person weist. Da die meisten Personaler eher Rationalität und Eindeutigkeit schätzen, nutzen sie die Graphologie nur noch sehr selten bei der Beurteilung potentieller Arbeitnehmer.

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Graphologie goes digital

Auch wenn die Graphologie als solche zur Bestimmung der Merkmale einer Persönlichkeit durchaus in der Kritik steht, bleibt sie ein Mittel der Persönlichkeitsdiagnostik, zu denen beispielsweise Arbeitsproben, Interviews, psychologische Tests und andere Methoden der Analyse gehören. Welche dieser Methoden zur Beurteilung von Charakter geeigneter ist, entscheidet die Validität. Je höher diese ist, desto wahrscheinlicher ist deren Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Allerdings kommt es im jeweiligen Fall genau darauf an, welche Fragestellung zugrunde liegt:

Werden via Arbeitsprobe die fachlichen Skills beurteilt, spielen soziale Kompetenzen keine Rolle. Frustrationstoleranz, Ausgeglichenheit und Impulsivität finden keine Berücksichtigung. Ob graphologische Analysen aussagekräftig sind oder nicht, hängt in erster Linie von der Fragestellung ab. Unpünktlichkeit oder kriminelle Neigungen lassen sich damit nicht feststellen. Doch bei aller Kritik an der Graphologie ist eines besonders spannend: Längst gibt es Computerprogramme, mit deren Hilfe sich die eigene Handschrift analysieren lässt.

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Was die Schriftdeutung verrät

Ob wissenschaftlich valide oder mit dem entsprechenden Spaßfaktor: Wer mit der Hand schreiben lernt, entwickelt eine individuelle Schrift, ebenso individuell wie Sprechweise, Stimme, Mimik oder Körpersprache. Damit ist ein handschriftlich verfasster Text ein Mittel zum Selbstausdruck und kann als Spiegel der Persönlichkeit gesehen werden. Die Handschrift offenbart Wesentliches über den Charakter des Schreibenden. Da sich die eigene Handschrift nicht über längere Zeit verstellen lässt, ist ein längerer Text Voraussetzung für eine fundierte Analyse, eine Unterschrift oder der Notizzettel für den Einkauf reichen jedenfalls nicht dafür aus.