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„Ein Tropfen Tinte kann Millionen Menschen zum Denken bringen“, so der Romantiker Lord Byron. Dem englischen Dichter kommt es dabei vor allem auf das Zusammenspiel der Worte an. Wir denken diesmal vor allem an die Zusammensetzung der Schreibflüssigkeit selbst: Wie kommt die Farbe hinein? Und wer schreibt eigentlich mit farbiger Tinte?
Von Ruß, Tintenfischen und der Tintenpatrone
Farbige Tinte wird schon seit sehr langer Zeit von den Menschen zum Schreiben verwendet. Der Begriff „Tinte“ geht auf den lateinischen Begriff „tincta aqua“ („gefärbtes Wasser“) zurück. Doch woher kommt die Farbe? Heutzutage geht das Schreiben leicht von der Hand. Das Blatt bleibt höchstens weiß, wenn die Ideen nicht recht fließen wollen. Aber auf den Tintenfluss aus Füller und Tintenroller ist Verlass. Moderne Schreibgeräte scheinen weit entfernt von den Binsen, mit denen die Ägypter auf Papyrus schrieben, und von den Gänsekielen, mit denen Mönche im Mittelalter heilige Schriften von Hand kopierten. Und doch ist das Grundprinzip gleichgeblieben: Kapillarkräfte bringen Farbe aufs Papier.
Neu ist: Man muss das Schreibgerät in der Regel nicht mehr eintauchen. Die meisten Füllfederhalter besitzen ein Tintenreservoir für die Füllertinte, häufig in Form einer Tintenpatrone, oder sie schreiben mittels Mine. Lediglich in der Kalligraphie taucht man den Federhalter mit aufgesteckter Bandzug- oder Spitzfeder noch ins Tintenfass. Wobei auch Kalligrafie-Stifte mit Tintenpatronen erhältlich sind.
Farbige Tinte im Lauf der Geschichte
Farbige Tinte im Altertum
Verändert hat sich im Laufe der Zeit vor allem die Zusammensetzung der Tintenfarben – wobei die Schreibwarenhersteller die genauen Tintenrezepturen natürlich geheim halten. Angefangen hat die Herstellung in Europa wohl mit Ruß und eisenhaltiger Erde. Aber schon lange zuvor wurde mit farbiger Tinte geschrieben. Die Hieroglyphen auf den antiken Papyrusrollen erschienen demnach vor allem schwarz oder rot. Die schwarze Farbe bestand aus Ruß, Wasser und dem Bindemittel Gummi arabicum. Die rote Farbgebung kam dank Ocker, einer eisenoxidhaltigen Erdmischung, zustande.
In China, wo die Schreibkultur von jahrtausendealter Tradition ist, hat man zunächst mit einem Bambusstab und einer Art Lack auf Ölbasis geschrieben. In der asiatischen Kalligraphie wird heute meist Stangentusche auf einem Reibstein mit Wasser angerieben.
Buchmalerei im Mittelalter
Nach einem ähnlichen Prinzip arbeiteten wohl die mittelalterlichen Mönche. Sie verwendeten Ruß von verbrannter Nadelholzkohle. Das gelblich bis dunkelbraune Bister trockneten sie, pressten es in Stangen und rieben es nach Bedarf ins Wasser, um so eine dunkelbraune Schreibfarbe zu erhalten.
Für die Initialen, die reich verzierten Anfangsbuchstaben auf einer Buchseite, wurde farbige Schreibtinte verwendet. Und die Farbstoffe konnten kostbarer und ausgefallener kaum sein: Mennige, Gold, Drachenblut, Purpur und Ultramarin aus dem Gestein Lapislazuli, um nur eine Auswahl zu nennen. Mit Gold ließen sich beispielsweise Heiligenscheine in der Buchmalerei illuminieren, also vergolden und so zum Strahlen bringen. Ein weißes Sekret aus der Drüse der Purpurschnecken sorgte für eine tiefrote Färbung, sobald die farbige Tinte länger der Sonne ausgesetzt war. Um ein Gramm reinen Purpur zu gewinnen, benötigte man übrigens zwischen 8.000 und 10.000 Purpurschnecken. Drachenblut wurde bereits in der Antike für rote Schrift verwendet. Der Farbstoff lässt sich aus dem Harz des Drachenbaums gewinnen.
Farbherstellung im Mittelalter
Für einige der begehrten Farbstoffe, darunter auch die strahlend rote Mennige, hatte man einen weiteren Preis zu zahlen. Denn es waren in ihnen giftige Bestandteile wie Blei enthalten. Andere Farbstoffe wie Purpur haben inzwischen an Bedeutung verloren. Es gibt wirtschaftlichere und tierfreundlichere Wege, rote Farbe herzustellen, zum Beispiel mithilfe von Alizarin. Auch für epia, der aus dem Tintenbeutel von Tintenfischen gewonnen wird, gibt es Alternativen wie Aktivkohle oder den Farbstoff Juglon, der in Walnussschalen steckt.
Bis ins 18. Jahrhundert war Eisengallustinte sehr beliebt, mit der bereits die alten Römer geschrieben hatten. Die Schreibflüssigkeit aus pulverisierten Galläpfeln, die als Geschwulst an Eichenblättern wachsen, nachdem Gallwespen dort ihre Eier abgelegt haben, ist dokumentenecht, hat aber entscheidende Nachteile: Mit der Zeit setzt Eisengallustinte Schwefelsäure frei, die das Papier angreift. Das Ergebnis ist der sogenannte Tintenfraß. Außerdem kam es durch die enthaltenen Salze zu Rost an den Schreibfedern.
Farbige Tinte heute
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden viele neue Farbstoffe entdeckt und 1882 das Tintenleitsystem revolutioniert, als Lewis E. Waterman die Vorlage für die Tintenpatrone liefert, die aber erst ab 1960 weltweit ihren Siegeszug antritt.
Ob mit Kolbenfüllhalter, Füller oder Tintenroller – im schnelllebigen digitalen Zeitalter beweisen alle, die mit der Hand schreiben, Mut zur Gemächlichkeit. Tatsächlich haben im 21. Jahrhundert viele die Handschrift für sich neu entdeckt als Ausdrucksmittel der Persönlichkeit. So kommt keine Grußkarte ohne eine persönlich und handschriftlich verfasste Botschaft aus. Aber auch beim Führen von Journals und Tagebüchern hat die Digitalschrift der klassischen Handschrift noch nicht den Rang abgelaufen. Genau deshalb liefern namhafte Hersteller wie Kaweco, Faber-Castell und Pelikan neben Standardfarben wie Blau und Schwarz auch farbige Tinte in Pink, Türkis oder Violett. So kann jeder den eigenen Stil auch farblich unterstreichen.
Beim Zeichnen und Schreiben Farbe bekennen
Innerhalb des breiten Farbspektrums stehen dunkle Farben für Seriosität und Verlässlichkeit. Helle Farbtöne nimmt man hingegen als frischer und jugendlicher wahr. Wer in welcher Farbe schreibt, das ist auch an gewisse Konventionen gebunden. So kennen die meisten Menschen Rot als Lehrerfarbe, die insbesondere zur Korrektur verwendet wird. Dem Direktor blieb oft Grün vorbehalten. Eine solche Farbhierarchie findet man zuweilen noch heute im Berufsalltag.
So schreiben Vorstandsmitglieder meist in grüner Farbe, Abteilungsleiter mit Rot und Sachgebietsleiter blau. Diese Farbauswahl lässt sich auch aus der Praxis heraus erklären: Auf gedrucktem Papier mit dunkler Schrift stechen Grün, Rot und Blau besonders gut hervor. Die persönliche Farbzuordnung erleichtert den Workflow.
In der Freizeit, wenn Sie Einladungen, Tischkarten oder Briefköpfe kunstvoll gestalten möchten, steht Ihnen die gesamte Palette des Regenbogens für die farbige Tinte zur Verfügung. In welchen Farbtönen das Geschriebene erscheint, ist dann vor allem eine Frage der persönlichen Vorlieben. Vielleicht greifen Sie auch zur Lieblingsfarbe der adressierten Person.
Farbige Tusche in der Kalligraphie
Der Unterschied zur Tusche ist beim Zeichnen und Schreiben fließend. Streng genommen ist Tusche, wie sie etwa in der Kalligraphie verwendet wird, einfach nur eine wasserfeste, stark pigmentierte Tintenvariante. Der Begriff Tusche, der sich vom französischen „toucher“ für „berühren“ ableitet, ist übrigens nicht geschützt. Allgemein enthält Tusche aber mehr Bindemittel und weist so auch andere Fließeigenschaften auf. Tusche ist in der Regel dickflüssiger und sollte nach längerer Lagerung ordentlich geschüttelt oder gerührt werden, damit sich die Pigmentablagerungen wieder gleichmäßig im Glas verteilen. Alternativ verwendet man Stangentusche zum Zeichnen oder Schreiben. In jedem Fall sollte das Schreibgerät nach Verwendung gründlich gereinigt werden, um auch in Zukunft einen sauberen Tintenfluss zu garantieren. Sie sehen also: farbige Tinte ist auch heute noch beliebt und lässt sich vielseitig verwenden, um der Kunst der Handschrift eine zusätzliche Ästhetik, aber auch – vor allem im beruflichen Bereich – einen Nutzen zu verleihen.